Meinen Mann konnte ich nicht noch mehr belasten. So rief ich bei dem ambulanten Hospizdienst Wilhelmshaven-Friesland e.V. an, sprach dort aufs Band und kurze Zeit später wurde zurückgerufen. Wir vereinbarten einen Besuchstermin und es erschien eine der beiden Koordinatorinnen, Frau Minas, die mir auf Anhieb sympathisch war. Die engagierte, freundliche Frau führte mit mir und meinem Mann ein informatives Gespräch.
Von da an lief alles wie am Schnürchen. Ich lernte Frau Brünagel vom Palliativ-Care-Team kennen und die netten Damen von der Ernährungsberatung, die sich viele Gedanken um mich machten. Vergessen darf ich auch nicht die zwei Damen vom Pflegedienst der AOK und vom Medizinischen Dienst.
Doch das Beste war, dass Frau Minas zu meiner Begleitung „meine“ Frau Lünemann auswählte. Sie arbeitet ehrenamtlich für den ambulanten Hospizdienst und begleitet schwerkranke Menschen, die sich in ihrer letzten Lebensphase befinden sowie deren Angehörige. Nunmehr mich!
Mit ihr kann ich alles besprechen, was mir auf dem Herzen liegt. Sie ist sehr hilfsbereit, macht mir irgendwie immer eine Freude, bringt mir schöne Hörbücher mit oder schickt mir auch kleine nette Gedichte, von ihr verfasst oder auch von Heinz Erhardt oder von Eugen Roth.
Wenn das Wetter mitspielt, setzen wir uns in den Besuchsstunden auch gerne nach draußen in unseren Garten, besuchen „Familie Olm“, Lurche, die in unserem Teich leben, hören, wie die Vögel zwitschern und genießen einfach die Natur. Glücklicherweise teilen Frau Lünemann und ich sehr viele gemeinsame Interessen. Sie schreibt gerne, genau wie ich. Wir lieben beide die Natur und beschäftigen uns mit Fotografie. Als Motive wähle ich gern einzelne Blüten aus unserem Garten. So kann ich die Fotos per Mail versenden. An unserem PC sitze ich oft und pflege die Kontakte zu meinen Freundinnen. So halte ich meinen Kopf fit und kann meine Gedanken niederschreiben.
Üblicherweise kommt Frau Lünemann mich samstags vormittags besuchen. Ab und an musste ich die Besuchstage absagen, da die Nebenwirkungen der Chemotherapie mir zu schaffen machten und ich dann einfach alleine sein wollte. Dann schreiben wir uns Mails oder telefonieren.
Uns geht der Gesprächsstoff nie aus und ganz schnell sind so 2 – 2 1/2 Stunden verflogen. Gemeinsam machen wir uns Gedanken über Bücher, die wir gerade lesen oder gelesen haben.
Frau Lünemann hinterfragt mein Befinden, ist aufmerksam und einfach für mich da. Natürlich sprechen wir über meine Erkrankung und den zu erwartenden weiteren Verlauf. Aber, was sich vielleicht keiner vorstellen kann: Wir lachen auch sehr viel, erzählen einander aus unserem Leben und erleben eine Zeitlang wohltuende Unbeschwertheit.
So hatte ich bis heute noch eine erfüllte Zeit, vor allen Dingen, wenn ich daran denke, dass ich schon Angst hatte, das letzte Weihnachtsfest 2013 nicht mehr zu erleben. Inzwischen habe ich im Februar noch meinen 78. Geburtstag gefeiert und sowohl Ostern als auch Pfingsten erlebt, nicht zu vergessen den Frühling mit seiner Farbenpracht.
Ich habe allen meinen Bekannten und Freundinnen geraten, sich im Falle eines Falles an den ambulanten Hospizdienst Wilhelmshaven-Friesland e.V. zu wenden und kann das nur immer wieder empfehlen.
Wenn es dann ans Sterben geht – und das könnte theoretisch täglich der Fall sein – hoffe ich auf eine humane Pflege und Schmerzbekämpfung des Hospizes.
Wilhelmshaven im Juli 2014, Anneliese Janßen