Meldung vom Donnerstag, 25. Februar 2016

Wann ist der Mensch tot?

Dieser Frage ist Professor Andreas Zieger, Oldenburg, in einem Vortrag im Gorch-Fock-Haus beim Ambulanten Hospizdienst Wilhelmshaven-Friesland e.V. am 21. Januar 2016 nachgegangen.

Ist nicht alles zum Thema "Leben und Tod" schon gesagt? Oder eher nicht? Nicht umsonst gab es mehrere Gesetzesinitiativen, die dann in einem vom Bundestag Ende vergangenen Jahres beschlossenen Palliativ- und Hospizgesetz mündeten. Das Sterben ist also gesetzlich geregelt. Palliativmedizin und Hospizdienst werden finanziell besser unterstützt und praktizieren im Tod ein mitmenschlich begleitetes Sterben.

Dennoch, die Frage bleibt hoch spannend.

Da ist auf der einen Seite die Furcht vor dem Scheintod. Im Mittelalter wurden im Sarg Schnüre befestigt, die zu einem Glöckchen außerhalb führten. Sollte jemand irrtümlich begraben worden sein, hätte er sich bemerkbar machen können. Letztlich wollte man sicher sein, dass man tot im Sarg liegt.

In der modernen, rein naturwissenschaftlich und biotechnisch orientierten Medizin ist der Tod der größte Gegner und gleichsam ein Betriebsunfall, ein Versagen der Medizin.

Ihre Brisanz erfährt die Frage "Tot oder lebendig?" gerade durch die Errungenschaften der modernen Medizin. Es ist möglich geworden, Organe zu spenden und zu transplantieren. Der Erfolg einer Organtransplantation hängt aber von einer möglichst hohen Übereinstimmung von Gewebsfaktoren von Spender und Empfänger und nicht zuletzt von der Zeit ab, in der die Durchblutung des Organs unterbrochen ist. Nahezu ideal ist daher die Lebendspende. Der Fall ist selten, aber nicht unmöglich. Dafür gab es in jüngster Zeit ein Beispiel, wo ein Mann seiner Ehefrau eine Niere spendete.

Der gegenwärtige Normalfall ist jedoch die Organübertragung von Verstorbenen. Hier ist entscheidend, die Zeit von Spendertod über Organentnahme bis zur Transplantation kurz zu halten. Vergegenwärtigt man sich die Länge der Wartelisten auf Organe, wird man die Not der Beteiligten verstehen. Grundlage des Transplantationsgesetzes in Deutschland ist: "der Hirntod ist der Tod des Menschen". Das bedeutet den Zustand des irreversiblen Erlöschenseins der Gesamtfunktion des gesamten Gehirns bei einem durch kontrollierte Beatmung aufrechterhaltenen Herz-Kreislauf.

Damit es nicht zu einfach ist: "Hirntote Schwangere wurde 84 Tage nach Hirntodfeststellung und Fortführen intensivmedizinischer Behandlung am 26. September 1991 von einem lebenden Sohn entbunden". Spiegel, 25/2011

Im Vortrag von Professor Dr. Andreas Zieger wurden Hintergründe, Zusammenhänge und Aussichten dieser vielfältigen wie zugleich widersprüchlichen Entwicklungen aufgezeigt und einer offenen Aussprache zugeführt.

Professor Andreas Zieger

Professor Andreas Zieger

Herr Professor Zieger ist als Apl. Professor an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Fakultät I Bildungs- und Sozialwissenschaften tätig und Mitglied der Ethikkommission Fakultät VI Medizin und Gesundheitswissenschaften der European Medical School Oldenburg / Groningen.